Sie sind Studien zufolge im Durchschnitt freundlicher, motivierter und bringen bessere Leistungen – Frauen in handwerklichen Berufen bieten einige Vorteile. Trotzdem sind sie im männerdominierten Heizungssektor nach wie vor kaum vertreten: Nur 1,7 Prozent der Azubis, die 2023 die Ausbildung in der SHK-Anlagenmechanik abgeschlossen haben, waren Frauen (Quelle: ZVSHK). Wie es ist, als Geschäftsführerin oder Heizungsbauerin in dieser Branche zu arbeiten, berichten Julia Moser und Anna Lena Mangels im Interview.
Frau Mangels, dies ist bereits Ihr zweites Interview zum Thema „Frauen in der SHK-Branche“. Nervt es Sie die „Vorzeigefrau“ zu sein?
Anna Lena Mangels: Nein. Ich möchte aufklären und offen damit umgeht. Ich beantworte gerne alle Fragen. Dadurch schaffe ich ja auch mehr Sichtbarkeit für das Thema. Ich finde es sogar schön zu sehen, dass Menschen sich dafür interessieren. Das ehrt mich auch.
Frau Moser, seit wann sind Sie im SHK-Bereich tätig?
Julia Moser: Gestartet habe ich im September 2018. Mit meiner Ausbildung als Hotelfachfrau war ich beruflich schon breit aufgestellt. Als Übergangslösung bin ich in den Betrieb von meinem Vater eingestiegen – im Handwerk gibts immer genug zu tun. Nach ein paar Monaten habe ich gemerkt, dass es mir sehr viel Spaß macht. Anfang Januar 2024 habe ich die Firma dann übernommen.
Julia Moser ist gelernte Hotelfachfrau. Seit Anfang 2024 ist sie Geschäftsführerin des Pelletfachbe-triebs Moser GmbH in Backnang bei Stuttgart.
Und seit wann sind Sie SHK-Anlagenmechanikerin Frau Mangels? Wollten Sie schon immer Handwerkerin werden?
A. L. Mangels: Seit Juli dieses Jahres. Zuerst habe ich eine Ausbildung als Industriemechanikerin abgeschlossen. Im Endeffekt hat mich der Anlagenbau und der viele Kundenkontakt aber mehr interessiert. Deshalb habe ich gewechselt. Als Kind und Jugendliche habe ich meinem Vater viel beim Heimwerken geholfen. Später habe ich überlegt, was ich beruflich machen möchte. Im Büro habe ich mich nicht gesehen und so bin ich dann auf die Ausbildung gekommen. Ich habe mich auf drei Stellen beworben und habe von allen eine Zusage bekommen. Da war es für mich schnell klar, dass ich tatsächlich in die Richtung gehen werde.
Gab es noch andere junge Frauen in Ihrer Ausbildungsklasse?
A.L. Mangels: In unserer Klasse waren wir drei Frauen und 21 Männer. Am Anfang war es für die Jungs und die männlichen Mitarbeiter in den Lehrwerkstätten ungewohnt, obwohl nicht bewusst nach Geschlechtern unterschieden wurde. Nach ein paar Wochen waren wir aber alle eingespielt und haben uns super verstanden.
Hatten Sie in Ihrer Jugend weibliche Vorbilder in der Branche?
J. Moser: Früher nicht, dafür habe ich aber jetzt eine gute Freundin, die ich sehr bewundere: Sie ist ausgebildete SHK-Anlagenmechanikerin und macht nächstes Jahr ihren Meister. Das finde ich schon cool, wie sie das durchzieht!
A.L. Mangels: Ich kenne keine Frau, die in dem Bereich arbeitet. Da aber viele meiner männlichen Freunde im Handwerk sind, war es für mich nicht so schwer den Schritt zu wagen.
Stoßen Sie auf Akzeptanzprobleme bei Mitarbeitern, Lieferanten oder Kunden?
J. Moser: Bei Mitarbeitern und Lieferanten nicht. Viele kenne ich noch von früher, als mein Vater mich als Kind mitgenommen hat. Bei Kunden passiert das, aber sehr selten. Manchmal sitze ich älteren Herren gegenüber, die sich erstmal bei meinem Vater rückversichern, wenn ich etwas erkläre. Einige wissen beispielsweise auch noch nicht, dass ich die Geschäftsführerin bin und gewisse Entscheidungen treffen darf und muss. Das sind aber eher Ausnahmen. In 95 Prozent der Fälle ist der Kontakt absolut normal. Die meisten Kunden sind erleichtert, dass die Firma überhaupt weiter-geführt wird.
Anna Lena Mangels ist gelernte Industriemechanikerin. Aktuell ist sie beim Pelletfachbetrieb Rave + Bösch in Cuxhaven als Anlagenmechanikerin angestellt.
Wie werden Sie von Kunden oder Kollegen wahrgenommen?
A.L. Mangels: Ich glaube die ersten männlichen Kunden waren verwundert, sie haben sich aber schnell daran gewöhnt. Es kommt auch ein bisschen darauf an, wie man mit seinem Gegenüber redet. Ich bin eine offene Person und nehme das nicht persönlich. Mit meinen Kollegen läuft es auch super. Wir verstehen uns sehr gut, sie sind mir gegenüber sehr hilfsbereit. Da gibt es gar keine Probleme.
Frau Mangels, was gefällt Ihnen an Ihrem Beruf besonders?
A.L.Mangels: Bisher macht mir alles total Spaß. Momentan stelle ich viele Kessel- und Wärmespeicher auf. Ich gehe auch mit aufs Dach und helfe mit den Solaranlagen. Da habe ich gar keine Hemmungen. Besonders schön finde ich, dass die Arbeit so vielseitig ist. Den einen Tag stelle ich ein Pelletlager auf, den anderen ziehe ich den Schornstein ein. Und am Ende sehe ich, was ich geschafft habe.
Die Frauenquote ist in der SHK-Branche relativ niedrig. Woran könnte das liegen?
J. Moser: Einige Leute haben noch das klassische Rollenbild vom körperlich arbeitenden Mann und der im Büro tätigen Frau verinnerlicht. Und das Handwerk ist nun mal ein stark körperlicher Beruf. Für Frauen ist der Job allerdings genauso möglich! Vor allem, weil wir technische Hilfsmittel nutzen, damit nicht mehr so schwer gehoben werden muss. Da, wo es möglich ist, setzen wir einen Kran oder einen automatischen Treppensteiger ein.
Wie viele Bewerbungen von weiblichen Jobanwärterinnen erhalten Sie?
J. Moser: Leider gar keine. Es würde mich aber wahnsinnig freuen! Neben meiner Mutter, die in Teilzeit in unserer Firma arbeitet, bin ich die einzige Frau bei uns. Prinzipiell ist das für mich nebensächlich, es wäre aber schon schön eine Bewerbung von einer Handwerkerin zu bekommen.
Frau Moser, hat sich das Verhältnis zu Ihren Mitarbeitenden verändert, als Sie Geschäftsführerin wurden?
J. Moser: Nein. Wir haben langjährige Mitarbeiter, die mich kennen, seit ich ein Kind war. Wenn sich etwas verändert hat, dann ins Positive: Wenn ich den Betrieb nicht übernommen hätte, hätte er geschlossen oder verkauft werden müssen. Aber dass da direkt jemand ist, der weiter macht und frischen Wind reinbringt, hat die Motivation vielleicht sogar erhöht.
Was empfehlen Sie jungen Frauen, die sich für einen handwerklichen Beruf interessieren, aber noch unsicher sind?
A.L. Mangels: Schnuppert mal ins Handwerk rein und habt keine Scheu, etwas Außergewöhnliches auszuprobieren! Im Endeffekt ist es euer Leben und der Job muss in erster Linie euch glücklich machen. Ja, im Handwerk arbeiten bisher hauptsächlich Männer, aber ich habe bis jetzt nur positive Erfahrungen gemacht.
Stellen wir uns vor, Sie alleine könnten die Branche umkrempeln. Was würden Sie ändern, um mehr Frauen für den Job zu begeistern?
J. Moser: Ich würde versuchen, das klassische „Gas-Wasser-Scheiße“-Image zu drehen. Das höre ich nämlich immer noch oft, wenn ich erzähle, dass ich in der Heizungsbranche arbeite. Das stimmt aber schon lange nicht mehr! Wir arbeiten hier mit Erneuerbaren Energien, bauen Anlagen von null auf hundert auf und versorgen damit Gebäude, sogar Gebäudenetze. Das auf das veraltete Bild zu reduzieren, ist schon sehr schade. Es ist wirklich ein toller Beruf und man kann so viel bewirken.
Gut zu wissen:
Dank technischen Hilfsmitteln werden die körperlichen Anstrengungen in handwerklichen Berufen geringer – auch für Männer.
Getrennte Sanitär- und Umkleideräume sind in Handwerksbetrieben nicht nötig. Abwechselnde Benutzungszeiten bieten geschützte Räume für alle Geschlechter.
Familienplanung und Kinderbetreuung sind zentrale gesellschaftliche Aufgaben, die sowohl Frauen als auch Männer betreffen. Elternzeit wird zunehmend auch von Männern genutzt.
Weitere Informationen
Bundesverband UnternehmerFrauen im Handwerk e.V. (UFH) für Weiterbildungen, Erfahrungsaustausch und Vernetzungsveranstaltungen
Initiative Klischeefrei zur Berufs- und Studienwahl